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Naturschutz, Klimawandel und Kolonialismus: Ein kritischer Blick auf die Wildlife-Fotografie


Einen kritischen Blick wagen - Waldohreule aus meiner Nachbarschaft

Ich hadere inzwischen sehr mit der Wildlife-Fotografie, wie sie von vielen heute praktiziert wird, sodass es mir immer schwerer fällt mich in diesem Feld zu betätigen.

Einer meiner Hauptprobleme mit diesem Fotogenre und der Community, die dieses betreibt, ist das fast völlige Fehlen kritischer Selbstreflexion – d.h. das eigene Handeln, die eigenen Gewohnheiten sowie die eigene Position kritisch zu hinterfragen. Natürlich fällt mir das einfacher, da ich als Ethnologe darauf getrimmt bin, genau das zu tun - was häufig nicht gerade angenehm ist.

Im folgenden Text möchte ich deshalb kurz auf ein paar Punkte eingehen, die mich besonders stören und ich hoffe, dass die Community endlich anfängt sich damit auseinanderzusetzen und nicht nur weiterhin leere Phrasen von sich gibt.

Ich möchte aber auch betonen, dass mir vollkommen bewusst ist, dass ich selbst Teil dieser Community bin und somit Teil des Problems. So kann man sicherlich auch mich und mein Verhalten kritisieren. Auch ist mir bewusst, dass mein Blogbeitrag sehr oberflächlich ist, ich aber hoffe, mich nach meiner Promotion mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen.



Im Spannungsfeld von Naturschutz, Klimaschutz und Reisen


Viele Naturfotograf*innen brüsten sich damit die Naturfotografie nicht nur für sich zu betreiben, sondern einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz leisten zu wollen, indem sie anderen, weniger privilegierteren Personen, die Natur und Tierwelt näher bringen. Ohne Namen zu nennen, hört sich das dann zum Beispiel so an:


„Since then I have travelled around the globe in search of wildlife to document and photograph. With my images I am hoping to encourage people to protect our fragile ecosystems and help restore them.”


Das Portfolio dieser Person umfasst, wie bei vielen anderen Fotografi*innen auch, nicht nur Bilder aus dem Heimatland, sondern von so gut wie allen anderen Kontinenten. Denn wer in der Wildlife-Fotografie erfolgreich sein will, muss zwangsläufig viel Reisen (sicherlich mit einigen wenigen Ausnahmen), um sein Portfolio möglichst divers zu gestalten. Großkatzen aus Afrika, Bären aus Nordamerika oder Papageien aus Südamerika müssen vor die Linse. Das kostet nicht nur einen Haufen Geld, sondern ist in Zeiten des anthropogenen Klimawandels höchst fraglich.


Schaut man sich nun im Internet um, findet man eine Unzahl an Artikeln, die sich darum drehen, wie hilfreich besonders die Naturfotografie ist, um den abstrakten Klimawandel zu visualisieren. So gut wie keiner dreht sich jedoch darum, dass die abertausenden Fotografi*innen, die um die Erde fliegen, um bestimmte Arten zum hunderttausendsten Mal abzulichten, selbst Teil des Problems sein könnten. Natürlich kann man argumentieren, dass nur durch den Tourismus viele Regionen und Tiere erst geschützt werden, da sich damit Geld verdienen lässt und der Natur dadurch ein monetärer Wert zugesprochen wird – so wie in diesem Artikel, doch ändert das meiner Meinung nach an dem Problem grundsätzlich erstmal nichts. Eine grundlegende Debatte über das Thema Naturschutz, Klimaschutz und Reisen innerhalb der Community ist deshalb längst überfällig.


Im Gegensatz zum Thema Reisen gibt es in Bezug auf den Schutz der Tiere viele Stimmen, die das Genre kritisch sehen bzw. von der „dunklen Seite“ der Naturfotografie warnen. So argumentieren einige, dass es genug Wildlife-Fotografi*innen gibt, und dass das weitere Eindringen in das Leben von Tieren - angesichts des großen Überangebots an bereits verfügbaren Bildern - kontraproduktiv für die Ziele der Erhaltung der biologischen Vielfalt ist. Besonders in Zeiten von Instagram, Facebook und Co., auf denen täglich Millionen von Bildern geteilt werden, verkommt das Genre vielmehr zu einer Art Selbstdarstellung und einem ständigen Wettbewerb, wer die seltensten und interessantesten Arten – möglichst formatfüllend – vor die Linse bekommt. Eine Entwicklung die besonders den seltenen und damit gefährdeten Arten einen Bärendienst erweist.



Koloniale Vergangenheit, Privilegien und Ungleichheit


Ein weiteres Problem fällt auf, wenn man sich die Liste der Sieger*innen des „Wildlife Photography of the Year“ Awards ansieht: der Großteil der Sieger*innen stammt aus Europa oder Nordamerika. Nur sieben von 39 (1984-2023) stammen aus Ländern außerhalb dieser beiden Kontinente. So stammt einer der Sieger aus Indien, einer aus China und jeweils zwei aus Südafrika und Kenia - keiner der aus Afrika stammenden Fotografen ist dabei schwarz. Von den Siegerbildern sind ein großer Teil außerhalb von Europa und Nordamerika entstanden. Elf Bilder alleine in Afrika und einige weitere in Südamerika und Asien (genau konnte ich das nicht ganz herausfinden) – eben dort, wo es noch viele spannende Wildtiere zu sehen gibt.


Dieser kurze Blick macht ein weiteres Problem in der Wildlife-Fotografie deutlich, das für viele eventuell zunächst weithergeholt erscheint – nämlich die koloniale Vergangenheit und das koloniale Erbe dieses Genres, das immer noch von Privilegien und Ungleichheit bestimmt ist.


In einem kurzen Artikel auf newbig5 geht Warren Ngobeni, ein aus Südafrika stammender Wildlife-Fotograf, der Frage nach, warum es so wenig erfolgreiche schwarze Wildlife-Fotografen gibt. In Südafrika spielt seiner Meinung nach unter anderem das Apartheid-Regime eine Rolle, dass es für Schwarze lange Zeit fast unmöglich machte, Zugang zu Ländereien zu erhalten, die zum Großteil in der Hand der weißen Minderheit waren. Auch in anderen afrikanischen Ländern ist die koloniale Vergangenheit bis heute ein wichtiger Faktor. Lodges und Game Reserves sind zum Großteil in den Händen von weißen Unternehmer*innen und Eintritte in Nationalparks teuer. Ebenso ist das Equipment sehr kostspielig, sodass es selbst in westlichen Ländern eine kleine gut situierte Schicht ist, die sich die Ausrüstung und auch die nötigen Reisen leisten kann. Allerdings gibt es auch in vielen afrikanischen Ländern eine vermögende Elite, die sich aber anscheinend - aus Gründen, die es noch herauszufinden gilt - weniger für dieses Genre interessiert.


Inwieweit neokoloniale Strukturen durch den Fototourismus gefestigt werden, zeigt auch die Entwicklung beispielsweise in Tansania, wo immer neue sogenannte Wildlife Management Areas entstehen, um neben dem Jagdtourismus auch den Fototourismus weiter anzukurbeln. Bei diesem sogenannten green grabbing werden nicht selten Ansprüche der einheimischen Bevölkerung vor Ort übergangen und diese in einigen Fällen sogar vertrieben. Diese Vorgehensweise war bereits während der Kolonialzeit verbreitet. So wurden beispielsweise 1951 als der Serengeti Nationalpark gegründet wurde, viele Maasai-Communities, die dort beheimatet waren, zwangsumgesiedelt.


Es gibt noch viel zu diesem spannenden Thema zu sagen und ich hoffe, dass es den einen oder anderen anregt, über die Natur- und Wildlife-Fotografie sowie die eigene Rolle nachzudenken. Dabei habe ich bis jetzt nur an der Oberfläche gekratzt und Themen wie Gender gar nicht angesprochen. So ist die Community stark männlich geprägt und Frauen hatten es lange Zeit sehr schwer in diesem Bereich Fuß zu fassen.


Bis heute gibt es meines Wissens kein Buch, dass sich der Geschichte, geschweige denn der kolonialen Vergangenheit und Gegenwart dieses Genres widmet. Dies wäre allerdings höchste Zeit, da das Genre vieles aufzuarbeiten hat und besonders in Zeiten der Krisen sich überlegen muss, wie es weitergehen soll. Immer die gleichen Bilder und Perspektiven zu reproduzieren und dabei all die negativen Auswirkungen auszublenden, ist sicherlich der falsche Weg.

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