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Die Kunst der Wildlife-Fotografie: Was ein gutes Wildlife-Foto auszeichnet - Teil 1

Wacholderdrossel in weichem Licht - Beispiel für ein gelungenes Wildlife-Foto
Wacholderdrossel in weichem Licht

Im folgenden Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, was ein gelungenes Foto in der Wildlife-Fotografie und allgemein in der Tierfotografie ausmacht. Immer wieder habe ich den Eindruck, dass viele Menschen, sei es Bekannte, Freunde oder Kunden, die sich nicht aktiv mit Fotografie beschäftigen, gar nicht so genau wissen, was ein wirklich gutes Bild ausmacht.


Mit der fortschreitenden Technik ist es heute für nahezu jeden möglich, mit seinem Handy Fotos aufzunehmen. Gleichzeitig wird auch professionelle Ausrüstung immer erschwinglicher, wodurch die Anzahl der Fotograf*innen stetig zunimmt. Doch wie sagt man so schön, Quantität ist nicht gleich Qualität. Deshalb dachte ich, es könnte hilfreich sein, für den ein oder anderen zu klären, was meiner Meinung nach ein gutes Bild auszeichnet. Dabei werde ich sowohl technische Aspekte als auch künstlerische Elemente gleichermaßen berücksichtigen. Nichtsdestotrotz bleibt es am Ende eine Frage des Geschmacks und dem Betrachtenden selbst überlassen, ein persönliches Urteil zu fällen.


Neben technischen Aspekten sollen ebenso künstlerische Komponente in diesem Beitrag beleuchtet werden. Denn ich betrachte die Kamera nicht einfach als Werkzeug zur bloßen Dokumentation der Realität. Stattdessen begreife ich sie als ein Mittel zur Interpretation, die gleich einem Pinsel die Möglichkeit bietet, meine individuelle Sichtweise zum Ausdruck zu bringen und mit anderen zu teilen. Sicherlich gibt es Menschen, die das anders sehen und Fotografie eher als Mittel zur reinen Dokumentation nutzen, aber für mich allein reicht dies nicht aus. Die Verbindung von Technik und Kreativität übersteigt die schlichte Erfassung von Tieren und Szenen. Durch die gelungene Synthese von Technik und Kreativität wird die Tier- und Wildlife-Fotografie zu einer Form der bildenden Kunst, die den Betrachter dazu einlädt, die faszinierende Welt der Tiere durch die Linse des Fotografen neu zu erleben.


Wie in vielen anderen künstlerischen Ausdrucksformen ist es auch in der Tier- und Wildlife-Fotografie oft schwierig, eine klare Trennlinie zwischen Technik und künstlerischem Aspekt zu ziehen. Sie lassen sich schlichtweg nicht eindeutig voneinander trennen, da der gezielte Einsatz bestimmter Techniken zu gewünschten künstlerischen Effekten führen kann. Beispielsweise kann die Entscheidung für eine längere Belichtungszeit dazu führen, dass die Flügel eines Vogels im Flug verschwimmen, was dem Bild mehr Dynamik verleiht. Trotzdem habe ich den Artikel in zwei Teile aufgeteilt, um die unterschiedlichen Aspekte zu behandeln, obwohl bei einigen Punkten sicherlich Raum für Diskussion bleibt.



Technische Aspekte:


Fokus und Schärfe

Fehlerhafter Fokus bei einem Foto eines Rotkehlchens - der Fokus liegt nicht auf dem Auge
Fehlerhafter Fokus - der Fokus liegt nicht auf dem Auge

Beginnen wir mit dem Thema Fokus und Schärfe. Obwohl Unschärfe in bestimmten Bildbereichen als gestalterisches Mittel genutzt werden kann, ist es von entscheidender Bedeutung, den Fokus auf die richtige Stelle zu legen – bei einem Tier ist dies in den meisten Fällen das Auge. Dieser Bereich sollte gestochen scharf sein, was sowohl durch präzises Einstellen des Kamerafokus als auch durch die Wahl der passenden Belichtungszeit erreicht werden kann. Die Auswahl der richtigen Belichtungszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ist das Tier in Bewegung? Nutzt man eine lange Brennweite? Wie leistungsfähig ist der kamera- oder objektivinterne Bildstabilisator und fotografiert man aus der Hand oder dem Stativ? Dies sind nur einige grundlegende Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, um die gewünschte Schärfe und Fokussierung zu erzielen.

Wenn die Belichtungszeit zu lange ist, kann dies bei einem sich bewegenden Tier zu Bewegungsunschärfe führen – im Englischen „motion blur“. Wenn der Fokus nicht korrekt sitzt, spricht man hingegen von "unscharfem Fokus" bzw. im Englischen von „out of focus“.


Foto eines Zaunkönigs - Vergleich zwischen einem scharfen und unscharfen Bildes aufgrund von Bewegungsunschärfe
Bewegungsunschärfe (oben) vs. scharf (unten)

Es gibt jedoch weitere Faktoren, die die Schärfe eines Bildes beeinflussen können, wie beispielsweise Luftverzerrungen, die oft in der Nähe des Bodens oder über Gewässern auftreten. Diese Hitzeflimmern, auch bekannt als "heat waves", können die Bildqualität stark beeinträchtigen und stellen eine zusätzliche Herausforderung beim Fotografieren dar. Auch beim Fotografieren aus dem Auto können solche Luftverzerrungen auftreten, da hier zwei unterschiedlich temperierte Luftmassen aufeinandertreffen können (z.B. warme Innentemperatur und kalte Außentemperatur).

 

Bild einer Tafelente auf einem See - Unscharf durch Hitzeflimmern
Hitzeflimmern über einem See

Bildrauschen

Ein weiterer Punkt der die Schärfe eines Bildes aber auch insgesamt die Bildqualität beeinflussen kann, ist der ISO-Wert (hier mehr dazu). Hohe ISO-Werte haben einen negativen Effekt auf die Schärfe eines Bildes. Je höher der ISO-Wert, desto mehr Bildrauschen („noise“) entsteht. Dieses Rauschen kann die Bildschärfe beeinträchtigen, indem es Details – beispielsweise feines Gefieder – verschwimmen lässt und zu einem insgesamt weniger klaren Erscheinungsbild führt.  


Bild einer Waldohreule - Starkes Rauschen durch hohes ISO - Details im Gefieder gehen verloren.
Starkes Rauschen durch hohes ISO - Details im Gefieder gehen verloren.

ISO beeinflusst demnach allgemein die Bildqualität und spielt besonders eine Rolle, wenn man vorhat, seine Bilder möglichst groß zu präsentieren und zu drucken. Andere Faktoren, die einen Einfluss auf die Bildqualität haben, werden von der Kamera und der Abbildungsleistung der verwendeten Linse bestimmt. Bei der Kamera spielt beispielsweise die mögliche Auflösung, der Dynamikumfang sowie das generelle Rauschverhalten eine entscheidende Rolle für die Bildqualität.



Belichtung

Bild eines Eisvogels - Vergleich zwischen einer zu dunklen Belichtung und einer gelungenen Belichtung
zu dunkle Belichtung vs. ausgewogene Belichtung

Neben den bisher genannten Punkten spielt auch die korrekte Belichtung eine wichtige Rolle betrachtet man die technische Güte eines Fotos. Mit modernen Bildbearbeitungssoftwares ist ein kleinerer Fehler bei der Belichtung mit ein paar Klicks heutzutage zwar korrigiert, doch können nicht alle mit der Kamera begangene Fehler damit behoben werden. So ist besonders auf die Tiefen und Höhen zu achten. Tiefen sollten nicht „absaufen“, helle Bereiche dagegen nicht „ausbrennen“. Aber was heißt das? Absaufen oder „underexposed“ bedeutet, dass in den dunklen Bereichen des Fotos Details und Informationen fehlen, die auch nicht mittels nachträglichen Aufhellens durch eine Software zurückgewonnen werden können. Genau das gleiche gilt für das „Ausbrennen“ oder „overexposed“. Hier sind es die hellen Bereiche, in denen Details verloren gehen. Eine ausgewogene Belichtung ist deshalb sehr wichtig, damit möglichst viele Details im Bild erhalten bleiben. Es ist deshalb häufig sinnvoll beim Fotografieren auf das Histogramm zu achten, das fast jede moderne Digitalkamera inzwischen anzeigen kann.


Im nächsten Teil werde ich dann auf die künstlerischen Aspekte eingehen, wie unter anderem Bildkomposition, Perspektive, Lichtverhältnisse, Verhalten, Ausdruck und Seltenheitswert.


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